Der Weg des Kriegers
Der erste Pfeiler - die-Kontrolle-über-die-Situation
Das ist sehr wichtig - die Situation eben zu kontrollieren. Die Menschen sind stets Emotionen, irgendwelchen mentalen Ideen ausgesetzt, so dass sie das reale Leben gar nicht sehen. Der Mensch betritt einen Vorhof und sieht nicht, welche Farbe und wie viele Stockwerte das Haus hat.
Der Mensch betritt ein gewohntes Treppenhaus, öffnet eine gewohnte Tür, zuhause gibt es den gewohnten Ehemann oder die gewohnte Ehefrau. So bemerken die Menschen einander nicht. Sie wissen einfach, dass beispielsweise hier, auf diesem Regal, dieses Buch steht, aber sie merken es gar nicht.
So leben die Menschen - aus Gewohnheit. Sie gehen dieselben Strecken, zum gewohnten Arbeitsplatz, kommunizieren mit gewohnten Menschen, schauen sich gewohnte Sendungen im Fernsehen an. Und die Menschen merken nicht, dass um sie herum bereits etwas Neues passieren kann.
Und deswegen meinen die Menschen, dass das Leben langweilig, uninteressant und eintönig ist. Das sind Menschen, die das Leben, das rund um sie verläuft, gerade nicht sehen. Sie haben aufgehört, das zu spüren, was jede Minute geschieht.
So wird das Leben solcher Menschen uninteressant. Und solche Menschen verlieren die Kontrolle über die Situation. Es kommt so, dass solche Menschen wie im Schlaf leben. Sie schlafen und sind sich sicher, dass eben dieses Bild unverändert über viele Jahre bleibt. Daher machen die Menschen oft Fehler: sie sagen etwas Unpassendes. Wenn sie mit anderen kommunizieren, bemerken sie nicht, dass ihr Freund nach zwanzig Jahren zu einem völlig anderen Menschen geworden sein könnte. Dass ihre Kinder vielleicht schon längst erwachsen und selbständig sind. Sie merken es aber nicht, sie sehen in ihnen wie früher kleine Kinder, sie merken das reale Leben nicht.
Sie merken nicht, dass sich die wirtschaftliche Lage geändert hat, oder dass die Moral schon vielleicht eine andere ist. Und das, was früher schlecht war, gilt inzwischen als völlig normal. Oder umgekehrt. Deshalb können solche Menschen den Geschmack des Lebens nicht immer fühlen. Sie können weder vollwertig etwas anderen geben noch etwas gänzlich vom Leben bekommen.
Dies stellt einen sehr wichtigen Punkt dar und wird als Ein Pfeiler der Praxis hervorgehoben. Weil es nicht reicht, dass Die Drei Praktiken verwirklicht werden müssen - die richtige Bestrebung, die Methoden und Die Weisheit. Der Mensch muss sich dabei auf Die Drei Pfeiler stützen, von denen die-Kontrolle-über-die-Situation bzw. der-Glaube-an-sich-selbst die wichtigste ist.
Nur dann, wenn der Mensch den äußeren Autoritäten nicht ausgesetzt ist, wenn der Mensch sich von seiner eigenen Meinung, von seinem eigenen Verstehen leiten lässt - nur ein solcher Mensch kann praktizieren.
Wenn der Mensch den Meinungen anderer Leute ausgesetzt ist, wenn er sich von ihrer Meinung leiten lässt und sagt: "wenn diese Menschen sagen, so sei es richtig, werde ich es so tun"... Die Menschen können etwas raten - was gewinnt man aber dadurch, dass man der fremden Meinung folgt? Andere werden dadurch nichts gewinnen: sie werden dadurch weder glücklicher noch schlechter. Und der Mensch selbst gewinnt nichts. Er wird dadurch nicht glücklicher, dass er etwas so tut "wie man sollte" oder so "wie es sich gehört".
Der Mensch, wenn er geboren wird, schuldet sofort sehr viel den anderen: er schuldet etwas seinen Verwandten, seinen Eltern, seinem Staat. Er ist ein Bürger - er ist verpflichtet und verpflichtet und verpflichtet. Nur selten sagt man etwas darüber, welche Rechte er hat - die meisten erinnern sich aber bestens daran, wozu er verpflichtet ist. Allein aufgrund der Tatsache seiner Geburt hat er schon Verpflichtungen gegenüber vielen Menschen und der Gesellschaft insgesamt.
So bemerken viele gar nicht, dass sie ihr ganzes Leben so leben "wie es sich gehört". Ihnen wird gesagt "was sein muss" - und sie befolgen diese Regeln: die Regeln des guten Tons, Verhaltensregeln, Verpflichtungen. Und in Wirklichkeit denken sie gar nicht darüber nach, was sie selbst wollen, was sie selbst brauchen.
Deswegen fühlen sich die Menschen unglücklich, wenn sie ihr ganzes Leben über die Probleme der anderen nachdenken und niemals über ihr eigenes Leben, über ihr eigenes Glück.
Wenn jeder nur über sein eigenes Leben nachdenkt und sich in fremde Leben nicht einmischt, wird ein solcher Mensch es nicht zulassen, dass sich andere in sein Leben einmischen. Ein solcher Mensch wird das Wort der anderen zu schätzen wissen und er wird auch sein eigenes Wort immer halten. Ein solcher Mensch wird die eigene Zeit zu schätzen wissen und deshalb auch die Zeit der anderen. Ein solcher Mensch wird vor allem seine eigene Freiheit zu schätzen wissen und deshalb auch die Rechte der anderen respektieren.
Und nur ein solcher Mensch, der vor allem in seinen eigenen Augen eine vollwertige Persönlichkeit ist, wird vollwertig etwas für andere tun können. Das ist der Mensch, der sich von den anderen nicht beeinflussen und sich stattdessen nur von seiner eigenen Meinung leiten lässt.
Manche wenden ein: "Was wird es denn sein, wenn jeder das tut, was er will? Die totale Unordnung und Anarchie wird ausbrechen". In Wirklichkeit ist es aber nicht so. Denn von Anfang an ist der Mensch nicht zur Aggression und zum Hass gegenüber anderen veranlagt. Keiner ist ursprünglich dazu veranlagt. Jeder Mensch ist ursprünglich gut zu anderen.
Sogar wenn man Verbrecher oder Schicksale anderer Menschen betrachtet, bemerkt man, dass sie in der Kindheit alle rein und unschuldig waren, und erst unter dem Einfluss irgendeiner Kultur, unter dem Einfluss der Erziehung, irgendwelcher Ideen, schufen sie eine andere Welt, die sich nach anderen Gesetzten bewegt. Aber ursprünglich war kein Mensch dazu veranlagt.
So denkt z.B. nur ein kranker Mensch über seinen Körper als über etwas Hässliches und Schmerzbringendes. Ein gesunder Mensch nimmt seinen Körper völlig anders wahr als ein kranker. So auch die moderne Medizin, insbesondere die Psychologie, die ja eher die Pathologie betrachten. Insbesondere die Psychologie.
Denn die Psychologie ist eine Wissenschaft darüber, was in einem Mensch eine Abweichung von der Normalität darstellt. Jedoch forscht die Psychologie gar nicht danach, was gesund wäre, was man als Musterbeispiel nehmen könnte, welche Psyche, welcher Mensch als vollwertig anzusehen ist. So kommt es, dass die Psychologie von Anfang an auf das Negative ausgerichtet ist.
Man sollte jedoch auf das Positive ausgerichtet sein, man sollte ein positives Musterbeispiel haben, mit dessen Hilfe man das Negative korrigieren kann. Das heißt, man kann sagen, dass die Gesellschaft ursprünglich auf das Negative, auf dessen Behebung eingestellt ist.
Das Negative kann man jedoch nicht dadurch beheben, dass man es bekämpft. Man sollte einfach die Stärken kultivieren. Taucht eine Stärke im Menschen auf, verschwindet die Schwäche von selbst. Und nur so können menschliche Fehler korrigiert werden. Deswegen kann man Hass nicht durch noch mehr Hass zerdrücken. Nur wenn man mit Liebe erwidert, lässt sich so etwas aus dem Menschen vertreiben.
Wenn etwas im Menschen unterdrückt wird, kann man das nicht durch noch mehr Unterdrückung beheben. Sondern umgekehrt, nur dadurch, dass es freigelassen wird. Und kein Komplex wird dadurch behoben, dass man die Schrauben anzieht, indem man dem Menschen sagt: "Das darf man nicht, das ist nicht zulässig". Der Mensch kann es nur lösen, wenn er es raus lässt. Nur dann wird der Mensch dies loswerden können. Nur wenn die Wurzeln des Problems komplett entfernt werden, hören sie auf, wieder und wieder zu wachsen.
Aber die Gesellschaft ist völlig anders eingestellt. Sie meint, dass alle Menschen bestimmte Verpflichtungen erfüllen müssen: wenn etwas im Menschen falsch ist, muss er das verstecken, es sei unhöflich so etwas öffentlich zu zeigen, das gilt als unanständig.
Und ein Arzt betrachtet den Menschen ebenfalls als einen Kranken. Bestenfalls, um das Leben in ihm aufrechtzuerhalten, jedoch nicht, um einen gesunden Menschen aus ihm zu machen. Was können Ärzte tun, die selbst oft krank sind oder eine kranke Psyche haben? Was soll man über Ärzte sagen, die rauchen? Das sind doch Menschen, die selbst nicht gesund sind. Wie können solche Menschen andere verarzten?
Genauso wie die Psychologen. Ich habe eine TV-Sendung gesehen, wo ein Psychologe aufgetreten ist. Dieser war ein Familienberater. Er hat sehr lange etwas erzählt, verschiedene Fälle aus seiner Praxis beschrieben. Dann hat der Fernsehmoderator ihn gefragt: "Sind Sie selbst verheiratet?" Und er sagte: "Nein, ich habe mich schon zwei mal scheiden lassen". Wie soll man jemandem glauben, der nicht in der Lage ist, sein eigenes Familienleben zu organisieren?
Haben die Menschen selbst erst irgendwelche tiefe Wurzeln eigener Schwächen, eigener Komplexe, persönliches Unglück, geben sie es weiter an andere. Die Prozesse der ärztlichen Versorgung, der Bildung und Erziehung werden oft von diesen Menschen bestimmt.
Dasselbe kann man über die heutige Bildung sagen: ein normaler Mensch möchte heutzutage selten Lehrer werden. Man kann beobachten, dass es fast nur Frauen, junge Frauen sind, oft mit problematischen Lebensläufen, mit vielen Komplexen im Hinblick auf die Bildung, die Kultur und den Sex. Und was können solche Menschen den anderen geben? Dann wundert man sich plötzlich, wieso die Gesellschaft moralisch verkommt. Die rein weibliche Erziehung, feminisierte Männer - das fängt alles in der Schule an. Weil man solchen Menschen die Persönlichkeitsbildung anvertraut hat. Die anderen Menschen zu formen. Deswegen ist unsere Gesellschaft von Anfang an auf Schwächen ausgerichtet. Sie basiert auf dem Negativen.
Die Religion offenbart da einen völlig anderen Zugang. Die Religion ist ursprünglich auf das Positive gerichtet. Jede Religion besagt in ihrem Ursprung, dass es nicht wichtig ist, auf welchem Niveau der spirituellen Entwicklung sich der Mensch befindet. Jeder Mensch kann Vollkommenheit, Ganzheitlichkeit erlangen, Gott werden - das besagt jede Religion. Und es ist in jeder Religion, in jeder Lehre vollkommen unwichtig, mit welchen Schwächen, mit welcher Vergangenheit der Mensch gekommen ist. Es zählt, was er werden kann. Nur das hat eine Bedeutung.
Wenn sich der Mensch an die Vergangenheit klammert, bleibt er für immer in dieser Vergangenheit. Wenn sich der Mensch aber von seiner Vergangenheit befreit und in der Gegenwart lebt, bekommt er eine Chance, sich zu verändern. Deshalb ist Der erste Pfeiler - die-Kontrolle-über-die-Situation - extrem wichtig in der Praxis.
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